So lebte die Attentäterin Safia S. in Hannover

Aus welchen Verhältnissen stammt die 15-Jährige, die am Hauptbahnhof einen Polizisten niederstach? Der Versuch einer Annäherung an das Leben von Safia S.

Es sind immer wieder dieselben Sätze, die man zu hören bekommt, wenn man mit Menschen aus dem Umfeld der 15-Jährigen spricht, deren Tat und möglicher islamistischer Hintergrund im Moment in ganz Deutschland für Erschrecken sorgen. Fragt man Schüler, die sie kennen, wird sie als eher still, zurückhaltend beschrieben. Es gibt Lehrer, die davon zu erzählen wissen, dass sie durchaus auch mal zickig war, dass sie sich in ihren Mädchengruppen - Unauffälligkeit hin oder her - durchaus zu behaupten wusste. Aber Gewalttätigkeiten? Religiöser Fanatismus? Selbst ihr Vater, der sich inzwischen im NDR-Fernsehen geäußert hat, sagt dazu: nein. Mohammed Robin S., der deutsche Vater Safias, ist zum Islam konvertiert. Die Eltern trennten sich früh. Danach wuchsen Safia und ihre beiden Brüder lange Zeit bei der Mutter auf. Die Kinder seien viel gezwungen worden, den Koran zu lernen, sagt Mohammed Robin S. Safia habe den IS auch mal erwähnt. Er, der Vater, aber habe ihr klipp und klar gesagt, dass das mit dem Islam nichts zu tun habe.



Fand er es nicht problematisch, dass seine Tochter schon als kleines Mädchen mit dem Salafistenprediger Pierre Vogel auftrat? Es gebe auch welche, die öffentlich aus der Bibel rezitierten. Es rechne ja keiner damit, dass jemand, der aus dem Koran zitiere, so etwas Grausames mache. Solche Sachen sagt der Vater, wenn er das gefragt wird.

Ein unauffälliges Leben mitten in Hannover

Wer versucht, mit den Eltern zu sprechen, merkt schnell, dass ein tiefer Riss durch die getrennt lebende Familie ging. Schon an den äußeren Lebensumständen kann man festmachen, wie verschieden Mutter und Vater offenbar sind. Ordentlich und sauber ist das Haus, in dem Hasna L. lebt, der Rasen im Hinterhof ist akkurat gemäht. Völlig unauffällig sei die Mutter, man habe kaum bemerkt, dass sie oder ihre Kinder da waren, sagen Nachbarn. Hasna L. selbst macht, wenn man klingelt, nicht auf. Dabei wäre sie vermutlich die einzige, die etwas Licht ins Dunkel bringen könnte.
Die streng religiöse, aus Marokko stammende Frau, die in den Schulen ihrer Kinder immer in langen Gewändern, bis auf das Gesicht ganz verschleiert, erschien, holte die Tochter immerhin aus der Türkei zurück, weil sie einen IS-Hintergrund vermutete. Sie war es, die nach Angaben aus ihrem Umfeld vor allem mit der Tochter regelmäßig die Moschee aufsuchte. Sie kennt also auch das religiöse Umfeld der Tochter gut.


Besucht man hingegen den Vater, der um die Ecke wohnt, stößt man im Hinterhof zunächst auf ein paar herumstehende Einkaufswagen aus dem Supermarkt. Aufgeplatzte gelbe Müllsäcke liegen am Boden. Vor der Einliegerwohnung des Vaters steht ein riesiges, selbst gebautes Piratenschiff aus Holz. Einen vergitterten Auslauf für seine Katze, so groß wie ein Zimmer, hat er an seine Wohnung angebaut. Wie eine unbürgerliche Enklave mitten in einem eigentlich gutbürgerlichen Stadtteil wirkt das. Fantasievoll, aber auch ein bisschen abgewrackt, kaputt.


Bruder wollte sich dem IS anschließen

Drinnen herrschen Enge, Chaos, Männerwirtschaft. Dennoch zog der ältere Bruder Safias, Saleh, nach einem Streit mit der Mutter dort ein, nachdem er auch von seinem zweiten Gymnasium abgehen musste. Er war schulisch endgültig gescheitert.

Auch er hat sich radikalisiert, sitzt mittlerweile in der Türkei in Untersuchungshaft, weil er sich dem IS anschließen wollte. Auch ihm habe man menschlich nichts angemerkt, sagt eine enge Freundin, die „oft mit ihm abhing“. Dass er nicht nur wegen der Noten, sondern auch wegen anderer Sachen Probleme in der Schule hatte, hört man aus seinem Umfeld. Dass er dort heimlich mit Freunden Alkohol trank beispielsweise. Und erwischt wurde.

Aber solche Probleme sind nicht untypisch für pubertierende Jungen. Ansonsten ähnelt das Bild, das sich seine Mitschüler von ihm machten, dem Safias. Ein lieber Junge sei er gewesen, niemand habe sich vorstellen können, dass er sich irgendwann für den Dschihad bereitmachen würde. Nie habe er über den IS gesprochen. Hellhörig wurden Mutter und Vater erst, als der Junge irgendwann seinem Vater Geld für eine Reise klaute und mitsamt Roller und Navigationsgerät Richtung Türkei abhaute. Er kam nur bis Braunschweig. Dort griff ihn angeblich die Polizei auf, der Vater holte ihn zurück, machte ihm klar, dass er wegen des Vertrauensbruchs nicht weiter bei ihm wohnen dürfe.

Saleh zog zur Mutter zurück - und reiste kurze Zeit später wieder los. Richtung Syrien. Richtung Terror. Diesmal war das Ende seiner Reise die Türkei.

36 | ANY: 2016 | DIARI: hannoversche | ENLLAÇ: http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Messerattacke-am-Hauptbahnhof-So-lebte-Safia-S.-in-Hannover

Cap comentari:

Publica un comentari a l'entrada